Wie Künstliche Intelligenz Recherche und Analyse in der Steuerberatung optimiert

Wie Künstliche Intelligenz Recherche und Analyse in der Steuerberatung optimiert

“Größeres Potential als die Dampfmaschine” titelte McKinsey & Company bereits 2018. Hintergrund waren die möglichen Auswirkungen Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Weltwirtschaftsleistung. Dies klingt verheißungsvoll, stößt aber in eher konservativ ausgerichteten Branchen, wie etwa auch der Steuerberatung, teilweise immer noch auf starke Vorbehalte. Die Bedenken bewegen sich zwischen folgenden Polen:

  • Wie soll eine Software jemals so komplexe kognitive Vorgänge, wie sie in der Steuerberatung notwendig sind, abbilden?
  • Wird uns Künstliche Intelligenz in naher Zukunft womöglich unsere Jobs kosten?
Was kann künstlich intelligente Tax Technology in der Steuerberatung leisten? Wie wird sie das Berufsfeld verändern? Darauf möchte das Aachener Technologie-Startup Taxy.io mit seinem jüngst publizierten Whitepaper eine erste Antwort liefern.

Künstliche Intelligenz: Lösungen in der Praxis

Informations-Lieferkette in der Steuerberatung

Zunächst wollen wir den Unterschied zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten verstehen. Dies ist wichtig, um die am Markt vorhandenen künstlich intelligenten Steuertechnologie-Lösungen betrachten zu können.
Bei strukturierten Daten handelt es sich um klar organisierte Informationen. Sie können leicht in einer Datenbank aufbereitet, analysiert und durchsuchbar gemacht werden, vergleichbar mit einer Excel-Tabelle. Häufig, aber nicht ausschließlich, handelt es sich um quantitative Daten. Beispiele sind Datumsangaben, Angaben zur Geolokalisierung, Bankdaten, Bestandsinformationen, Umsätze, Kosten, Adressen und Namen.
Unstrukturierte Daten hingegen lassen sich nicht in einfach abgrenzbare Datentypen unterteilen bzw. zerlegen und durchsuchbar machen. Häufig handelt es sich um qualitative Daten. Beispiele sind Texte, Fotos, Videos oder Musikdateien.
Bisher wird Künstliche Intelligenz in der Steuerfunktion überwiegend zur Analyse strukturierter Daten verwendet. Dabei geht es meist um die Bearbeitung von Routineaufgaben, die zahlreich und in einer klar organisierten, sich wiederholenden Struktur erscheinen. Künstliche Intelligenz kommt beispielsweise bei der Transferpreis-Kalkulation zum Einsatz. Oder bei der Erkennung von Anomalien in Buchungsvorgängen im Vergleich mit historischen Daten.
Das Feld der unstrukturierten Daten wurde durch existierende TaxTech-Lösungen hingegen bisher kaum erschlossen. Gerade in der Steuerfunktion bilden unstrukturierte qualitative Daten allerdings die tägliche Arbeitsgrundlage. Etwa in Form von Gesetzestexten, Rechtsprechung, Kommentaren und kanzleiinternen oder abteilungsinternen Schriftstücken. Schätzungen zufolge wenden Steuerberater in Deutschland mehr als 100 Millionen Arbeitsstunden jährlich für Recherchetätigkeiten auf. Technische Unterstützung bei Recherche- und Analyseprozessen birgt somit ein erhebliches Wertschöpfungspotenzial.

Analyse strukturierter vs. unstrukturierter Daten

Betrachten wir den Prozess der Steuerberatung aus informationslogistischer Perspektive. Diesen kann man als Abgleich zwischen zwei Datensilos beschreiben:

  • Im Datensilo “Steuerrechtliche Literatur” finden sich umfangreiche unstrukturierte qualitative Daten. Diese werden von Gesetzgeber und Verlagen bereitgestellt sowie den Kanzleien in Form ihrer eigenen Dokumente.
  • Daneben bildet das Informationssilo “Mandant” sowohl unstrukturierte als auch strukturierte ab bzw. sowohl quantitative als auch qualitative Daten. Dabei handelt es sich häufig um Informationen mit hoher Komplexität. Die Datenmenge nimmt auf beiden Seiten kontinuierlich zu bzw. unterliegt regelmäßigen Änderungen.
Bei einer idealen Beratung werden fortlaufend und lückenlos sowohl aktuelle als auch historische Daten beider Informationssilos abgeglichen. In der Praxis wird dies immer aufwendiger. An diesem Punkt setzen daher die Software-Lösungen TaxFeed und TaxKit des Aachener Startups Taxy.io an. Beide Lösungen werden in der Folge kurz vorgestellt.
Künstliche Intelligenz in der Steuerberatung
Abbildung 1: Wie TaxFeed und TaxKit die Informations-Lieferkette in der Steuerberatung unterstützen

Unterstützung bei Recherche- und Analyseprozessen durch Künstliche Intelligenz

Der TaxFeed befindet sich derzeit in der finalen Entwicklungsphase. Er screent fortlaufend das Informationssilo “Steuerrechtliche Literatur”. Dieses besteht aus Gesetzen, Richtlinien, Erlässen, Rechtsprechung und Kommentaren. Bei Bedarf können auch unternehmensintern erstellte Dokumente mit fachlichem Bezug integriert werden. Parallel dazu wird das zweite Informationssilo, die Mandantendaten, durch ein “Fingerprinting” ebenfalls fortlaufend analysiert. Das Silo der Mandantendaten besteht aus Stamm- und Bewegungsdaten, Schriftverkehr und Vertragsunterlagen. Die Daten verlassen zu keinem Zeitpunkt die Kanzlei bzw. das Unternehmen. Die Nutzer werden automatisiert darauf hingewiesen, wenn sich für spezifische Mandanten Beratungsanlässe ergeben. Dies kann aufgrund von Änderungen in einem der beiden Informationssilos resultieren. Dadurch können Steuerberater ihre Mandanten deutlich proaktiver und ganzheitlicher beraten.
Das TaxKit unterstützt die Kommunikation zwischen Steuerberatern und Mandanten. Dies geschieht in Form eines Outlook Add-in oder Word Add-in. Das Produkt analysiert schriftlich ausformulierte steuerrechtliche Sachverhalte. Danach schlägt es den Anwendenden thematisch passende steuerrechtliche Literatur sowie kanzleieigene Schriftstücke vor. Im Zuge der kanzleiweiten Bereitstellung interner Dokumente werden personenbezogene Daten automatisch anonymisiert. Daher können die relevanten steuerlichen Informationen unter Wahrung des Datenschutzes allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden. So kann vermieden werden, dass zu ähnlichen Fällen unternehmensintern mehrfach recherchiert wird. Letzteres ist unnötig, wenn die Expertise und entsprechende Argumentationsvorlagen bereits vorhanden sind. Zudem werden die relevanten Passagen der Fachliteratur während des Verfassens in Word oder Outlook in einer Sidebar angezeigt. Sie können mit einem Klick auszugsweise in das eigene Schriftstück übernommen werden. Durch den Einsatz des TaxKit ist somit eine deutliche Zeitersparnis möglich.
Abbildung 2: Das Taxy.io TaxKit in der Anwendung - Im Beispiel in der Ausführung TaxKit Mail

Feldexperiment: Einsatz Künstlicher Intelligenz in einem Fachverlag

Versuchsaufbau

In welchem Ausmaß lässt sich durch den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Recherche steuerrechtlicher Sachverhalte Zeit gewinnen? Zu dieser Frage hat Taxy.io ein Feldexperiment aufgesetzt. Hierfür wurde die dem TaxKit zugrunde liegende Technologie bei einem deutschsprachigen Fachverlag eingesetzt. Zugleich wurde die Zeitersparnis durch Einsatz der Taxy.io-Lösung erfasst.
Der Verlag bietet Steuerberatern an, Fachfragen einzureichen, zu denen sie eine Gutachtermeinung einholen möchten. Diese werden durch den Verlag an passende Steuerrechtler vermittelt. Diese prüfen und bearbeiten die Anfrage. Dabei wird auch die Zeit der Beantwortung erfasst.
Seit dem 10.02.2020 wird die TaxKit-Technologie eingesetzt, um die Arbeit der Gutachter zu unterstützen. Jedes neue Ticket wird hinsichtlich seines steuerrechtlichen Sachverhaltes analysiert. Es wird mit bereits über die Plattform bearbeiteten Sachverhalten abgeglichen. Die Gutachter sehen nicht nur die ursprünglich ausformulierte Anfrage, sondern automatisch auch relevante Antwortvorschläge aus bisherigen Fällen. Durch die Taxy.io Anonymization Engine werden personenbezogene Hinweise vollautomatisch entfernt.
Es wurden die Bearbeitungszeiten vor der Implementierung des TaxKits mit den Bearbeitungszeiten danach verglichen. Konkret wurden die Zeiträume 10.02.2019 – 26.05.2019 und 10.02.2020 – 26.05.2020 verglichen. Durch den Vergleich identischer Zeiträume aus unterschiedlichen Jahren sollen saisonale Einflussfaktoren berücksichtigt werden.

Ergebnisse

Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz konnte im Rahmen des vorliegenden Feldversuchs 20% Zeitersparnis erzielt und gemessen werden. In diesem Ausmaß sank die durchschnittliche Antwortzeit nach der Einführung der künstlich intelligenten Software TaxKit. Diese höhere Effizienz führt zu einer Kostensenkung. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Schließlich liegt das Kosteneinsparungspotenzial für vergleichbare KI-Anwendungen laut einer aktuellen McKinsey Studie nur bei durchschnittlich 10%. Letzteres gilt selbst für Unternehmen, die sehr erfolgreich KI-Lösungen einsetzen.
Die deutlich überlegene Einsparung resultiert u.a. daraus, dass das TaxKit bei mindestens jedem zweiten Ticket eine passgenaue Antwort auf Basis des vorliegenden Fundus bereits beantworteter Anfragen liefert. Durch jede neu beantwortete Anfrage vergrößert sich dieser Korpus folglich. Dies vergrößert somit den nutzbaren Datenschatz für weitere Tickets.

Fazit

Eingangs wurden hinsichtlich künstlicher Intelligenz in der Steuerberatung Vorbehalte geäußert. Diesbezüglich lässt sich Folgendes festhalten. Bis eine digitale Steuerintelligenz die Steuerberaterprüfung besteht und wir von Robo-Advisors beraten werden, liegt noch ein langer Weg vor uns. Und doch sind die ersten Schritte bereits längst getan.
Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz wird der Berufsalltag in der Steuerberatung allerdings mittelfristig menschlicher. Die in Recherche- und Analysetätigkeiten investierte Zeit wird sich deutlich reduzieren. Dadurch werden Freiräume für individuelle, kreative Beratung der Mandanten geschaffen. Mithilfe von künstlich-intelligenten Software-Lösungen können Beratungsanlässe deutlich früher erkannt werden. Mandanten können deutlich proaktiver angesprochen werden. Durch die Unterstützung durch Steuertechnologie wird zudem eine ganzheitlichere Beratung möglich.
Wer noch tiefer in das Thema Künstliche Intelligenz in der Steuerberatung einsteigen möchte, findet im Whitepaper zum Taxy.io-Feldexperiment weiterführende Informationen.

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Sven Peper

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